Auf all meinen Reisen in die Metropolen Europas habe ich sie stets gesucht und auch gefunden, die besonderen, die einzigartigen, die „großen“ Bars. Die alten ehrwürdigen, bei denen eigentlich immer auch Hemingway auf der illustren, historischen Gästeliste stand, sowie die neuen, die hippen, die es zur Zeit Hemingways noch nicht gab, aber die zumindest jetzt die zweifelhafte Ehre haben, mich als Gast vorweisen zu können. In meiner Heimatstadt München gibt es viele erstklassige Bars (Ohne Besuche von Ernie, aber dafür umso mehr von mir), so war es nur folgerichtig, dass ich mir auch meinen neuen Wohnort ertrinke. Nicht verwunderlich ist, dass München in Bezug auf Barkultur natürlich die Nase weit vorne hat, aber verstecken braucht sich Nürnberg definitiv nicht. Bisher habe ich schon drei Bars gefunden, in denen man sich ausgesprochen niveauvoll aus dem Leben schießen lässt, wie wir kultivierten Trinker sagen. 😉
Als erstes möchte ich dem geneigten TrinkerLeser die Blume von Hawaii vorstellen. Eigentlich habe ich es ja am liebsten, wenn ich von „Pinguinen“ hinter der Bar bedient werde. Auch während meiner kleinen Karriere auf der anderen Seite des Tresens, habe ich stets in Barjacke mit Krawatte gearbeitet. Aber es gibt noch mindestens eine weitere Stilart der Barkultur, die mich auch immer wieder in ihren Bann schlägt und das ist: Tiki.
Das Wort Tiki kommt aus dem Polynesischen und heisst Mensch. In den 50er und frühen 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kam die Tikikultur erstmals in Mode. In etwa in der Zeit, als Hawaii Bundesstaat der USA wurden. In Holz geschnitzte Götter, Bambusgestelle, Schilfhütten, Hibiscusblüten und eben auch Tiki-Mugs, ehemals sakrale Trinkgefäße, die wie kleine Totempfähle aussahen. Die beiden berühmtesten Barkeeper, die die Tiki-Barkultur begründeten waren Victor Bergeron alias Trader Vic und „Don the Beachcomber“. Erstgenannter ist auch Begründer des Trader Vic’s, einer berühmten Tiki-Bar im Bayerischen Hof in München. Seit über 40 Jahren eine Institution in München. (und auch in vielen weiteren Städten)
Aber ich wollte Ihnen ja von Nürnberg und seiner „Blume von Hawaii“ berichten. Die kleine Bar im Rosenthal 15 liegt am Anfang meiner Nürnberger Bar-Achse, die stangerlg’rad von der Trambahn-Haltestelle Rathenauplatz, zur Blume von Hawaii, über die Bar Nürnberg bis zur Vintage-Bar geht.
Ein kleiner heimeliger Raum mit einer ebenso kleinen Bar, hübsch mit allerlei Tiki-Tand dekoriert, heißt den Gast willkommen. Hinter der Bar, arbeiten die Barleute (Es gibt auch eine Bardame) in bunten Hawaiihemden an diversen Hamilton-Beach Blendern.
Den Chef Thomas Stingl erkennt man sofort an seiner eindrucksvollen Gestalt und den bunten Tiki-Motiven auf seinen Oberarmen. Bei meinem ersten Besuch, einem Samstag war die Bar sehr gut besucht, um nicht zu sagen, proppenvoll. Das Publikum ist eher jung und leider recht „casual“ und ich wie eigentlich immer overdressed. Spätestens durch die Filmplakate bemerkt der Operetten- und Filmfreund sofort, dass die Bar nach den gleichnamigen Werken benannt ist. Auf einem weiteren Filmzitat nehmen wir Platz, den Emanuelle-Korbstühlen ganz hinten an der Wand– ganz grosses Kino.
Der Signature-Drink (Blume von Hawaii) lässt mich nicht ganz überzeugt zurück, ein leichter Gin-Drink namens „Careless Navigator“ mit frischen Kumquats begeistert mich allerdings so sehr, dass ich ihn seither jedesmal wieder bestelle. Er ist in etwa eine Tiki-Variante des Bombay-Crushed. Die Qualität der Drinks ist insgesamt durchgehend sehr gut und das Personal ausgesprochen freundlich. Allerdings habe ich bisher erst zweimal einen Cocktail in einem Tiki-Mug serviert bekommen, das finde ich schade, aber ich bin die Barkarte ja auch noch nicht ganz durch.
Ich werde diese Bar bestimmt weiterhin als Aperitiv auf meiner Bar-Route lassen, auch wenn ich die kleinen „Menehune“ aus dem Trader Vic’s natürlich etwas vermisse.
Die Menehune kennen Sie nicht? Das ist in der Tat eine Schande … Diese kleinen Wichtel sind so etwas wie die Heinzelmännchen der Hawaiianer und zaubern dem Trinker bestimmt Liebesglück oder zumindest ein Lächeln aufs Gesicht.
Vielleicht bekomme ich ja irgendwann in Nürnberg auch mal einen zu sehen, aber bis dahin stecke ich mir meine eigene kleine, hübsche Menehune stilvoll in meinen Hemingway-Kopf und versuche den Navigator in der Hausbar nach zu mixen.
Eine Antwort
Lieber Alexander,
es freut mich, dass Du auch in Nürnberg ein paar Bars gefunden hast, in denen Du Dich „niveauvoll aus dem Leben schießen“ kannst. 🙂
Bei den momentanen, täglich neuen, geistigen Ergüssen des offenen Feldversuchs der Psychiatrie in Berlin (auch Bundesregierung genannt) sind solche Orte wichtiger denn je, um den ganzen Wahnsinn noch auszuhalten.
Gute Gespräche mit netten Menschen bei einem guten Drink und einer Zigarre oder Pfeife sind für mich einfach wichtig.
Umso schöner, dass es dann solche „Oasen“ gibt, wie die von Dir beschriebenen oder auch unseren allseits beliebten Freitagsclub bei Bodo II. Ich hoffe, Dich dort bald mal wieder zu treffen.
Viele Grüße in die fränkische Hauptstadt
Roland