„Als ich zehn war“ ist das Thema der Blogparade initiiert von meinem Freund Lutz Prauser, dem Zwetschgenmann. Als ich zehn war, endeten gerade die siebziger Jahre, die Ära der Schlaghosen und langen Krägen. Modisch hätte das ein Hoffnungsschimmer sein können, aber es sollte in den Achtzigern noch schlimmer kommen. Für mich war damals Mode noch die Lederhose vom Säcklermeister Strauss am Viktualienmarkt, das Kindermodehaus Schlichting am Dom, weil meine Mutter das mochte und der Lodenfrey, weil der so eine tolle Rutsche in die Kinderabteilung hatte. Cord- oder Lederhosen dazu Pullunder oder Janker.
Politisch bekam ich in dieser Zeit eigentlich gar nichts mit (hat sich nur unwesentlich geändert) Wenn ich während der aufwändigen Recherchearbeit an diesem Blogbeitrag die Jahreschronik von 1979 herunterscrolle, klingelt fast gar nichts bei mir. Das einzige, an was ich mich erinnere ist der Schah-Sturz, allerdings auch nur in der Verbindung mit der Frage, ob sich seine hübsche Gemahlin Farah Diba noch die tollen Kleider leisten können wird. Sie merken schon, ausser der Bunten beim Friseur habe ich keine Zeitungen gelesen.
Einschneidend war für mich, wie vermutlich für die meisten in diesem Alter, der Schulwechsel. Bei mir war es die „Lateinschule“ in Form des Asam-Gymnasiums in München Giesing. Schon der Wechsel der Isarseite war für mich ein Schock. Aufgewachsen im zentralen Glockenbachviertel, zwischen alten Münchner Grantlern, einer aufblühenden Schwulen-Szene und der Nähe zur urbanen Innenstadt, musste ich jetzt in den Osten, ins Glasscherbenviertel. Die Kinder des Giesinger Proletariats, auf die ich dort traf, brachten mir unsanft aber schnell so manch Wichtiges über das Leben bei …
Erstens: Nur a „Preiß“ is a Bayer und ausser in der Säbenerstrass‘ gibt’s koane „Roten“ in Giesing. Hierbei handelt es sich um ein valentineskes in sich schlüssiges und doch irgendwie verwirrendes, nur scheinbares Paradoxon. Ich wurde also auch ein „Blauer“, zuerst aus der Not, sich der schieren Übermacht beugend und dann viel später unter Präsä Wildmoser und Werner „Beinhart“ Lorant auch mit dem Herzen. Ach ja, für die, die es noch nicht mitbekommen haben, ich spreche von Fußball.
Zweitens erfuhr ich, dass man weder als Lehrer noch als Schüler wegen anhaltender Gewalttätigkeit, allerdings sehr wohl wegen des Tragens einer „Stoppt Strauß“-Plakette, von der Schule fliegen kann. Sich mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln zu wehren, lernte ich ziemlich schnell. Franz Joseph Strauß war mir egal, und nach der achten Klasse trennten das Asam und ich uns in gegenseitigem Einvernehmen, blieben jedoch keine Freunde.
Ein weiterer Schock war, dass man auf der höheren Schule für akzeptable Ergebnisse lernen musste. In der Grundschule an der Klenzestraße war ich durch mäßige Intelligenz und familiäre Vorbildung, ohne jeglichen Aufwand immer Klassenzweitbester gewesen, auf dem Gymnasium hingegen war ich schon nach einem halben Jahr versetzungsgefährdet. Mit dem Minimalziel des Durchkommens zufrieden zu sein, fiel mir jedoch nicht schwer. Ehrgeiz war nie eine meiner vielen schlechten Eigenschaften und so lavierte ich mich den Rest meiner Schulkarriere so durch und schaffte zehn Jahre später auf dem Klenze-Gymnasium ein Abitur in „Malen, Religion und gutem Betragen“ ( Zitat meines Vaters) mit einem Schnitt von drei-komma-drei. Mich hätte man genauso auf eine Waldorfschule oder ein Elite Internat stecken können, immer mit gleichem Ergebnis: Ich konnte nix, ausser Malen, Quatschen und Improvisieren.
Was hat sich also seit dem geändert? Meine Welt ist zum Glück gewaltlos geworden, sowohl der Säcklermeister- , als auch der Ministerpräsident Strauss wurden vom Boandlkramer gestoppt. Die Sechziger spielen immer noch (wieder) zweitklassig, die Arbeiterklasse gibt es leider nicht mehr. In München gibt es nur noch Millionäre und Spiesser – Isarpreissen, halt und ich bin in Nürnberg und werde beobachten, wie es meinem Jüngsten in zwei Jahren gehen wird, wenn er dann zehn ist.
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