So schön die fränkische Kirsche auch blüht und vor allem wie großartig sie auch schmeckt, ihr Holz ist für den Holzschnitt aufgrund der wirren Maserung, leider völlig ungeeignet. In der neuen Stadt – das Wort Heimat vermeide ich bewusst – fehlt es mir noch an Infrastruktur. Trotz intensiver Recherche war es mir nicht möglich einen vernünftigen Holzhändler hier in Franken zu eruieren und so muss ich mich auf schundige Baumarktware und Restbestände aus Fürstenfeldbruck beschränken und das gerade in so einer so intensiven Schaffensperiode, das schmerzt. Sollte jemand von Ihnen eine Quelle für japanisches oder auch amerikanisches Kirschholz oder wenigstens Magnolienholz haben, es gibt Finderlohn!
Eines schönen Wintertages, ich sitze in Filz und Tweed gehüllt in meinem scheisskalten mittelwarmen Atelier, eine heisse Tasse Earl-Grey und ein Pfeifchen mit feinstem Virginia, halten mich leidlich warm, schneide ich munter fränkisches Fachwerk in eine Fichten-Dreischichtplatte vom örtlichen OBI und verfluche still das maserige Holz, welches millimeterweise von butterweich auf brettlhart wechselt, als mein sündteures japanisches Hangi-toh Schnitzmesser einknickt und auf einmal an einer schweren erektilen Dysfunktion zu leiden scheint.
Das ist eine Katastrophe für mich. Ich habe keinen Ersatz und der nächste Laden ist ungefähr 9000 km Luftlinie entfernt. Ich reisse das Lautsprecherkabel aus dem Mobiltelefon, Chopins Nocturne erstirbt abrupt und ich google Hangi-toh, finde einen Ebay-Händler aus Tokyo und bestelle sofort. So vernetzt die Wirtschaft in unserem Global-Village auch sein mag, die Post wird sich mit meinem Messer im Schneckentempo nach Nürnberg bewegen und ich brauche doch mein Hangi-toh.
Feilen-Stahl gilt als einer der härtesten und Feilen habe ich genug im Fundus. Finster entschlossen mache ich mich daran mir dann eben selber so ein Schnitzmesser zu bauen. Es muss ja nicht aus 42-mal gefalteten Samurai-Stahl sein. Hauptsache es macht bei meinem Baumarktholz nicht schlapp. Ein paar Minuten an der Schleifmaschine und die Form ist einigermassen ausgeschliffen. Das besondere an diesen Schnitzmessern ist, dass die Schneide nur an einer Seite des Messers schräg angeschliffen wird, die andere Seite bleibt plan. Das ist wichtig, weil dann die Stege im Holz sauberer stehen bleiben. Ein normales Schnitzmesser verdichtet durch seine Winkel beim Schneiden das Holz. Ich habe auch noch ein paar Stücke von meinen Euro-Paletten und daraus schnitze ich den Griff meines etwas grobschlächtigen Barbaren-Hangi-toh.
Natürlich schneide ich mich erst einmal selbst an der wirklich scharf gewordenen Klinge und auf allen nachfolgenden Bildern sind die Blutflecken zu sehen. Der Griff wird über Nacht zusammengeleimt und am nächsten Morgen kann ich ihn glatt schleifen und ölen. Dann noch ein paar Stunden auf chinesischen, belgischen und thüringer Schleifsteinen, dann ist das Messer bereit für meine Fichtenplatte. Brachial ziehe ich das Messer durch das Holz, es steht seinen Mann, wie eine deutsche Eiche im Sturm. Filigran ist etwas anderes, aber das Holz hat es auch nicht anders verdient. Ich werde mich damit zufrieden geben müssen bis die Post mir meine neuen Messer bringt und auch der Holzhändler, die ersten Muster amerikanscher Kirsche geschickt haben wird. Drücken Sie mir die Daumen, er dass die Qualität stimmt, denn er ist wenigstens in Mühlheim an der Ruhr und nicht in Tokyo …
3 Antworten
Ein äußerst ziselierter Beitrag mein Lieber, voll liebenswerter Details und Klischees, die mich des öfteren zu sanftmütigem, asiatischem Lächeln angeregt haben.
Diese finstere Entschlossenheit… einfach bewundernswert.
Es ist bei allem Respekt immer wesentlich erhellender und unterhaltender zu lesen, wie jemand etwas bewerkstelligst,dem Menschen in seinem Wahn und Wüten lesend zu beobachten, statt eine trockene Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Well done, Babe. Well done.
Lieber Alexander,
Was die Schnitzmesser betrifft, hast du es mal beim Kustermann probiert. Die haben eine große Auswahl, ob sie allerdings deinen Ansprüchen genügen weiß ich natürlich nicht. Beim Holz wäre vielleicht ein Versuch mit Hemlock interessant. Ich kenne es nur von meiner Sauna. Da gibt es keine Einschlüsse und die Maserung ist auch kaum sichtbar. Sollten meine laienhaften Einwürfe völlig daneben liegen ignoriere sie einfach.
Bis bald. Bodo
Ausgemacht, Bodo!
Ich komme dann mal mit Handtuch und Schnitzmesser zu dir in die Sauna und schnitze ein Bisserl was, dann ist mir auch nicht so langweilig beim Schwitzen. Schwitzen und Schnitzen, grossartige Idee!!!!