Auf Einladung meines Schwiegervaters verbrachten wir eine Woche in einem sehr schönen Hotel auf der Seiseralm. Es liegt ganz hinten auf der Alm und aus Lobby, Spa und Zimmer hatten wir einen wundervollen Blick auf die Langkofelgruppe. Luis Trenker, der ja nicht weit davon aufgewachsen ist, hat den Langkofel als den schönsten Berg der Dolomiten bezeichnet, und wer sollte das besser wissen, als er. Es war kalt, es lag ordentlich Schnee und die Sonne schien fast die ganze Zeit. „Kaiserwetter“ hätte man in Österreich gesagt. Sonne, blauer Himmel, Schnee.
Leider haben einige geldgierige Idioten die Alpen mit Stahlpfählen und Betonbunkern zugebaut, um damit bewegungsscheue Alpinsportler zu transportieren. Die Melkkühe auf der Alm sind, zumindest im Winter, nicht vierbeinig, sondern zweischiig (kann man das so schreiben?) und bezeichnen sich selbst als Urlauber. Für mich ist Geld kein wirklich ausreichender Grund, die Berge zu verschandeln, aber was weiß ich schon.
Ich lieh mir einen Schlitten und beschloss, die Seiseralm zu Fuß zu erobern. Folgt man den Holzwegen und meidet die Pisten, erlebt man die Dolomiten noch so, wie sie für Luis in etwa waren. Motive gibt es unzählige. Ich skizzierte ein wenig und fotografierte viel. In den paar Tagen gelang es mir, alle umliegenden Berge – also dort wo sie für den Wanderer zugänglich sind – abzulaufen und mit dem Schlitten runterzurasen.
Die Plastikmenschen, die zu hunderten von den Liftanlagen raufgeschaufelt werden, versuchte ich weitestgehend zu ignorieren. Warum auf Berghütten in dieser wunderbaren, schneestillen Landschaft, „Uhh Baby!!!“ aus Lautsprecheranlagen schallen muss, erschließt sich mir einmal wieder nicht. Hat vielleicht mit dem vielen Plastikzeug zu tun, was die „Ich-lasse-mich-hochziehen-Sportler“ tragen. Die Weichmacher weichen vielleicht auch Hirn und Gehör auf. Gottlob habe ich damit rechtzeitig aufgehört.
Auf meinem Weg entdeckte ich eine Hütte ohne Lärm, dafür aber mit einer wundervollen Zirbelstube. Seit ich im Lechtal in Tirol das Schnitzen erlernt habe, kann ich mich von dem Duft der Zirbe gar nicht satt riechen. Espresso und Zirbenduft sind eine unschlagbare Aromakombination. Ich glaube, es war die Kaiserin, die alle Zirben des Tales den Südtiroler Herrgottsschnitzern geschenkt hat, aber das ist jetzt Halbwissen, Vorsicht. Jedenfalls hat die Schnitzkunst im Grödnertal eine Jahrhunderte lange Tradition und es war, meine ich, der Großvater von Luis Trenker, der die erste Schnitzschule dort eröffnet hat. Denn bevor die Götter des Mammons den Bauern die Schilifte geschenkt haben, mussten sie in den Wintertagen ihr Brot mit dem Schnitzen von Heiligenfiguren verdienen.
Bild:
Hütterl auf der Seiseralm, Bleistiftskizze