Einen „Geheimtipp“ zu veröffentlichen ist immer eine zweischneidige Angelegenheit. Zum einen möchte man ja seine Lieblingsorte mit anderen teilen, andererseits möchte man aber auch nicht, dass es bald dort zu geht wie am Stachus. Das Schöne an so einem exklusiven Medium wie diesem Blog ist, dass man seine Orte und Erfahrungen nur mit den Menschen teilt, die man dann an zur Not dort auch ertragen würde, oder sollte ich so weit gehen zu sagen, dass ich mich über Sie, liebe Leser, in der Residenzpassage freuen sollte?
Folgt man dem Blick des ersten bayerischen Königs Max I Joseph – der ja bekanntlich eigentlich zu seiner Sommerresidenz Nymphenburg blickt – und schweift dann noch ein ganz kleines Bisserl nach rechts, dann kann man gleich wieder links in eine winzige Passage einbiegen, die dann im weiteren Verlauf auf die Theatinerstraße münden würde.
Autofahrer fänden dort auch den Abgang zur Max-Joseph-Platz Tiefgarage, der durch ein wunderschönen Leuchtkasten angezeigt wird.
Wir Flaneure ignorieren dieses unterirdische Blechlager und freuen uns an der künstlerischen Arbeit des Schildermalers, der dort neben einem Gamsbartträger auch einen Pfeifenraucher mit Zamperl (Hund, bevorzugt Rauhaardackel) verewigt hat.
Wir stehen jetzt vor einer der schönsten Kunstbuchhandlungen Münchens: Die Buchhandlung L. Werner, gegründet 1878 von Louis Werner hier in der Residenzstrasse, nach einigen Jahrzehnten am Maximiliansplatz 1960 zurückgekehrt wieder (fast) an die gleiche Stelle. Vielleicht erwerben Sie hier ein schönes Buch und setzen sich dann – nach einem kleine Rundgang über das winzige Platzerl – an einen der Kaffeetischerl.
Ein kleiner gastronomischer Wermutstropfen ist, dass hier unbegreiflicherweise Selbstbedienung ist, aber vielleicht ist hier deshalb kaum etwas los. Geniessen Sie die Ruhe mitten in der turbulenten Innenstadt und blättern Sie entspannt in Ihrem neuen Kunstbuch.
Hinter Ihnen befindet sich noch eine kleine Besonderheit: das Atelier der Modistin Ina Böckler, die dort seit über 100 Jahren extravagante Damenhüte fertigt (also sie selbst wohl nicht mehr, aber ihre Nachfolgerin) ich weiss das, nicht nur, weil Ina Böckler eine Münchener Institution ist, sondern weil vor vielen Jahren einmal eine Freundin von mir dort eine Lehre gemacht hat. Sollten Sie also ein wirklich exklusives Geschenk für eine Dame brauchen …
Wenn Sie dann wieder bereit sind, weiter zu flanieren, dann gehen Sie zurück in die Residenzstrasse, die Theatinerstrasse ist leider längst nicht mehr, was sie einmal war. Das Café Feldherrnhalle ist jetzt ein bescheuerter George Clooney Kaffeekapsel-Shop und die fünf Höfe haben außer der Barista wirklich nichts zu bieten. (Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit der Hypo-Kunsthalle, wann haben Sie dort zuletzt eine gut kuratierte Ausstellung gesehen?)
2 Antworten
Nicht einmal drei Jahre alt ist dieser schöne Beitrag und schon muß vermeldet werden, dass die Kunstbuchhandlung L. Werner nach 140 Jahren zum Monatsende schliessen wird. Belegschaft und Bestand ziehen in die Architekturbuchhandlung an der Türkenstraße 30, gegenüber dem Museum Brandhorst. Hier also soll es ein erweitertes Angebot zu den Themen Architektur, Kunst und Kultur geben.
Wieder einmal muß sich ein Stück gutbürgerliches Alt- München dem Kostendruck unterwerfen. Wie schade.
Darf ich fragen, ob der Name des Schildermalers bekannt ist, der diese charakteristischen Figuren zeichnet(e)?