Romantisch verklärt wird es oft, das künstlerische Arbeiten in der freien, unberührten Natur. Geruhsam und idyllisch stellt er sich das vor, der fleißige Biedermann, der im airbagsicheren Blechkäfig durch den Berufsverkehr gondelt, um dann im warmen und geschützten Büro sein Tagwerk zu verrichten. Wir Landschaftsmaler aber, die tagtäglich der rauen und unerbittlichen Natur ausgesetzt sind, die bei Hitze, Regen und Schnee den Naturgewalten trotzen, sind zu allem Überfluss auch noch Attacken hinterlistiger, wilder Tiere schutzlos ausgeliefert.
Gerade kehre ich heim, müde von der Arbeit – die Feldstaffelei ins Atelier getragen, die Pinsel ausgewaschen – falle ich auf den Stuhl vor meinem Sekretär, auf dem mein MacBook selig schläft. Noch immer bin ich in Lederhose und Unterhemd, als wäre ich auf einem Campingplatz und tippe diese Zeilen.
Aber von Anfang an. Gleich nach meiner morgendlichen Laufrunde, frisch geduscht und voller Tatendrang, packe ich meine Feldstaffelei, zwei Leinwände, eine Kanne Tee und eine gute Havanna auf mein Radl und starte ein paar Meter die Pegnitz hinunter. Der Platz, den ich mir heute zum Malen ausgesucht hatte, ist zu Fuß deutlich zugänglicher als mit dem vollgeladenen Fahrrad. Mühsam schiebe ich am Flußufer entlang, trage an einigen Stellen den Drahtesel sogar über umgestürzte Bäume, bis ich das perfekte Motiv gefunden habe.
Ein kleiner Bachlauf, der aus Erlenstegen kommt und sich ein paar Meter weiter in die träge Pegnitz ergiesst. Eine sonnendurchflutete Sommerwiese, eingerahmt von dunklen Bäumen und ein nebliger Wald im Hintergrund. Die Morgensonne glitzert im Bächlein und beschwingt beginne ich mit der Arbeit. Die Sonne tut mir den Gefallen und bewegt sich gnädig über das Motiv, ohne es groß zu verändern. Ich nippe an meinem Tee und entzünde mir eine wunderbare Quintero Favorito, die ultimative Mal-Zigarre.
Ich stehe unter einer großen Weide, bin ganz für mich allein, das Bächlein plätschert, die Robusto zieht ganz hervorragend und die Pinsel fliegen so dahin. Der Moment könnte nicht perfekter sein.
Da passiert es. Ich höre ein Rascheln in den Ästen über mir und dann spüre ich wie mir plötzlich eine unangenehm warme Flüssigkeit in den Kragen platscht. Ich erschrecke, taste an meinen Hals und den Hinterkopf. Das ganze Genick und mein Hemd sind vollgesaut von braunen übel riechenden Spritzern. Ich schaue erbost nach oben, kann den Übeltäter aber nicht ausmachen. Ich reisse mir das Hemd über den Kopf und fluche lautstark. Ich habe ein paar Blätter von einer Küchenrolle für meine Pinsel dabei und wische mich damit notdürftig sauber. Ob es ein Vogel oder ein Eichkatzerl war, welches sich über mir entleert hat, weiss ich nicht und das ist mir auch egal. Ich erinnere mich an ein Kinderbuch mit einem Maulwurf und weiss sofort, wie der Titel meines heutigen Blogposts lauten wird: „Der Maler, der gar nicht wissen wollte, wer ihm auf den Kopf geschissen hat.“
Nachdem ich mich und mein Hemd mit Kernseife im Flüsschen gewaschen habe, hänge ich es über einen Ast und male im Unterhemd weiter. Trotz beinahe täglicher Körperertüchtigung doch kein so ansprechender Anblick, ist mir schmerzhaft bewusst. Das Alter und die Liebe zu Weißbier und der fränkischen Küche, hinterlassen doch ihre Spuren. Ausser ein paar Hundespaziergängern sieht mich ohnehin niemand und die sind auch nicht schöner, tröste ich mich. Wenigstens trage ich noch meine Lederne und keine Hochwasserhose mit herunterhängenden Bändseln und zig Reißverschlüssen, wie die Gassigänger.
Der heimtückische Anschlag der heimischen Fauna hat mich aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht. Ich stocke in der Arbeit und muss an einigen Stellen richtiggehend kämpfen, um das Bild nicht so zu versauen, wie mein schönes „Pfoadhemd“. Ich habe den „Flow“ verloren, täte der Hip-Hopper sagen. Nach und nach kommt er zurück und ich arbeite die letzte Stunde wieder hochkonzentriert und bin mit dem Ergebnis zufrieden. Wie immer hängt das Bild jetzt abwechselnd bei mir im Haus und im Atelier. Ich muss es sooft wie möglich sehen, denn dann finde ich immer noch ein paar Kleinigkeiten, die ich verbessern möchte. Wenigstens ist kein Schiss auf dem Bild gelandet, denke ich und weiß, dass es auch immer noch schlimmer kommen könnte.
Eine Antwort
Ich habe mich jetzt köstlich amüsiert. Vielen Dank für diesen wunderbaren Bericht aus dem Leben eines plein air Malers.
Viele Grüße
Carl Weltwitz