Auch auf der Burg in Nürnberg geht’s zu wie am Stachus!

Burg Nürnberg Touristen wie am StachusDie Fotografie ist schon immer eine von mir ungeliebte Kunstform gewesen, weil sie gerade an besonders attraktiven Orten, für mich unbrauchbar ist. Wenn man nicht zu den ausgesprochenen Frühaufstehern gehört, ist es nahezu unmöglich, ein Foto ohne irgendwelche Touristen zu knipsen. Jetzt ist es nicht nur so, dass ich ein Misanthrop bin, der Natur oder Architektur lieber ohne Menschen erlebt. Ich bin vor allem der Schönheit zugetan. Gegen ein paar schöne Frauen oder gut gekleidete Herren auf dem Bild hätte ich ja grundsätzlich nichts einzuwenden, aber was sich da zwischen dem Giants Causeway, der Kampenwand und der Nürnberger Burg tummelt, ist meist ausgesprochen degoutant. Plastik-Funktionsjacken, Trekkingsandalen, Schnabelkappen und T-Shirts mit vermeintlich lustigen Sprüchen, man kommt ihnen niemals aus. Es kann einem angesichts dieser optischen Umweltverschmutzung schlecht werden, es sei denn man wandelt wie mein Freund Lutz Prauser mit geradezu obsessiver Lust am Lästern durch die Welt und bloggt über die unzähligen Renates auf dieser sonst so schönen Erde. Die Lektüre seines Buchs zum Blog „Renate und das Dienstagsarschloch“ möchte ich hier an dieser Stelle einmal ausdrücklich empfehlen.

Nürnberger Burg HolzschnittWenn es überall zua geht wia am Stachus — wie man hier bei uns sagt — hilft einem auch die schönste Leica nichts, weil die ganzen Deppen im Bild stehen. Eine für mich schmerzliche Erfahrung, die ich machen musste, als ich mit einer digitalen Leih-Leica von Michael Kausch durch Irland gezogen bin. Glücklich kann sich also schätzen, wer wie ich eine flüchtige Skizze machen kann, das Foto nur als Farb-Referenz braucht und dann ungestört im Atelier an den Motiven arbeiten kann.

Nürnberger Burg HolzschnittSo entstand ein einsamer Blick auf die Kaiserburg in Nürnberg, wie er so nicht mehr möglich ist, seit der Raubritter Eppelein diesen Ort fluchtartig verlassen hat. (Vermutlich direkt nachdem er ein Burgfräulein gesehen hat, deren Sportsocken mit links und rechts gekennzeichnet waren)

Diese Unbill ist ganz weit weg, wenn ich mit meinen Messern das Holz bearbeite. Da sehe ich nur noch die Sonnenstrahlen, die seit hunderten von Jahren auf das rötliche Fachwerk scheinen, Sandstein, der warm unter ihr  leuchtet…

Die Kaiserburg habe ich in Kirschholzparkett geschnitten, deren fränkische Provenience der Händler mir zugesichert hat. Nachdem ich die Versiegelung abgeschliffen hatte, stellte sich die Kirsche als recht brauchbar heraus. Fünf Platten mit sechs Druckbereichen reichten diesmal aus, um die Lichtstimmung einzufangen. Bei einem Motiv, wNürnberger Burg Holzschnittelches durch unzählige Ansichtskarten, Lebkuchendosen und Versicherungslogos völlig abgenutzt ist, wähle ich gerne einen Ausschnitt, der den zweiten und dritten Blick zum Erkennen braucht. Das ist in etwa wie das Hören der Songs auf der B-Seite. Die erste Seite kann man schon nicht mehr leiden, aber nach eingehender Beschäftigung bemerkt man die Schönheit der unscheinbareren Stücke.

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2 Antworten

  1. Der lobenswerten Erwähnung dieses Meilenseins gehässiger Literatur ist natürlich nichts hinzuzufügen. Gerne mehr davon.

    Nun ist noch ein Wort zur Fotografie berühmter Gebäude zu ergänzen. Menschen dürfen schon auf dem einen oder anderen Bild vorhanden sein. Aber bitte zu einem authentischen Foto auch authentische Menschen. Touristen, die als solche auf den ersten Blick zu erkennen sind, gehören m.E. nicht dazu. Das Leid des Fotografen, Gebäude oder Landschaften nicht ohne trekking-be-sandalte Touristen fotografieren zu können, ist groß und kann dem Urlauber die Stimmung verhageln. Und den den fotografierenden Reisenden begleitenden Familienanhang gleich mit, wenn nämlich elbiger gefühlte Stunden ausharrt, um eine hohle Gasse ohne Pilgerscharen von Urlaubern ablichten zu können.
    Lediglich in Pisa ist die Betrachtung der Urlauber sehenswerter als der Schiefe Turm. Hier ist eine ausgiebige Studie der Touristen geradezu Pflicht für jeden Spötter:
    https://zwetschgenmann.de/was-macht-der-mensch-da-eigentlich/

  2. Da muss ich dir recht geben, lieber Lutz, manchmal sind auch die Touristen die eigentliche Sehenswürdigkeit. Allein, dass man die Architektur in Pisa allein wegen ihrer Baumängel besucht, ist in diesem Fall bizarr genug. Was sind das Katastrophentouristen, die auf das Umfallen warten? oder sind es Bausachverständiger und Statiker aus aller Welt? Vom schiefen Turm habe ich auch noch ein paar Bilder und Skizzen, vielleicht sollte ich ihn gerade rücken ….

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