Nichts ist so dämlich und überflüssig, als dass es nicht doch noch in unserer verblödeten Zeit ein Revival erfahren könnte. Ich meine jetzt im speziellen nicht Nationalismus oder preussisches Untertanentum, die auch wieder salonfähig zu werden scheinen, sondern etwas ein klein wenig harmloseres, nämlich die Etagere. Stimmt’s Sie hätten nicht gewusst, wie das komische Ding hiess, welches sie von ihrer Großmutter geerbt hatten und dann mit einer gewissen Ratlosigkeit im Gesicht auf dem Flohmarkt verkaufen wollten, wenn Sie nicht dieses Foto hier gesehen hätten?
Ja dieses Ding mit den übereinander gestapelten Tellern hat einen Namen. Und dazu auch noch – wie könnte es anders sein – einen sehr vornehmen, französischen. Étagère eigentlich, sogar mit zwei Accents, einem Accent aigu und einem Accent grave. Accente so viel wie Etagen. Das ist aber nicht immer so, weil es auch dreistöckige gibt und weil die französische Sprache eben nicht logisch ist. Dieser elegante Tischaufsatz stammt noch aus dem Barock, darauf wurden kostbare Pralinés, Petit Fours oder exotische Früchte angeboten. In neuerer Zeit, also im letzten Jahrhundert servierte man möglicherweise darauf noch die Scones für den Fünfuhrtee, aber ansonsten war das Gestell verschwunden.Nur insofern verschwunden, als dass sie nur noch in den Kellerkartons – Sie wissen schon, die, die niemals ausgepackt, aber immer wieder umgezogen werden – schlummern, weil es noch nie jemandem gelungen ist, sie auf dem Flohmarkt loszuwerden.
Also ich habe so eine Etagere vor gar nicht allzu langer Zeit aus einem Nachlass bekommen und schrullig, wie ich nur mal bin, in meinem Herrenzimmer in die Vitrine gestellt. Da steht sie nun. Einmal habe ich mir sogar ein paar Scones gebacken, damit sie wenigstens einmal zu Ehren kommt. Das Gebäck wird übrigens mit „O“ gesprochen, hat mir mal ein Brite erklärt. Auf dem Scone mit „U“, werden die englischen Königinnen und Könige gekrönt, aber ich schweife mal wieder ab.
Meine Etagere ist jedenfalls ein hübsches biedermeierliches Stück mit Porzellantellerchen und güldener Metallstrebe. Gänzlich nutzlos, aber immerhin irgendwie schön.
Die neue Biedermeierlichkeit, die wir gerade erleben, geht nicht nur mit unpolitischer Spießigkeit und Angst vor dem Leben einher, sondern auch mit einer regelrechten Backwutlust. Gebacken werden vornehmlich amerikanische Minikuchen, sogenannte „Cupcakes“. Warum man in stundenlanger Friemelarbeit viel zu süsse Backwaren mit kitschigem, künstlich gefärbten Zuckerzeug dekoriert, erschliesst sich mir persönlich nicht, ist aber Trend und schmeckt dafür nicht.
Warum ich Ihnen von diesem Backtrend, der postfeministischen Hipster-Muttis berichte? Ganz einfach, man braucht wieder Etageren!!! Also man braucht sie natürlich nicht, aber man stellt sie wieder her und versucht sie an den Mann oder die Frau zu bringen. Ja, ich konnte es auch nicht glauben. Als ich durch den Küchen-Lösch (so eine Art Nürnberger Kustermann für Arme) schlenderte, sah ich sie! Aus grell buntem Plastik in allen Farben und Größen: Plastik-Etageren! Als gäbe es auf der Welt nicht schon genug Plastik und Etageren.
Während ich diese Zeilen tippe, überlege ich in diesem Blog eine Serie mit dem Titel „Untergang des Abendlandes“ (U.d.A.) zu starten. Teil 1: Etageren aus Plaste und Elaste. Was meinen Sie?
Eine Antwort
Eine großartige Idee – ich freue mich auf eine Serie. Und ich werde jedes Mal darüber sinnieren, ob ich dem zustimmen kann, was Du als überflüssiges Glump ansiehst und was nicht. Ich bin sicher, unsere Auffassungen liegen bisweilen sehr, sehr weit auseinander. Es gibt viel zu streiten – legen wir los.