Es gibt ja mehr Städte in Deutschland, die sowohl für Ihr Bier, als auch Ihre Künstler berühmt sind, als München und Nürnberg. Ich sitze gerade im Zug zurück aus Düsseldorf und verfasse diese Zeilen. Uerige, Uecker, Beuys, Frankenheim, Immendorf, v. Schadow, Schlösser Alt, Füchschen, v. Cornelius, nur um hier einmal eine bunte Reihe zu bilden. Hauptsächlich die Düsseldorfer Malerschule des 19. Jahrhunderts interessierte mich, denn mit der hatte ich mich bisher noch nicht so intensiv beschäftigt. Begonnen habe ich mit meiner Exkursion auf dem Golzheimer Friedhof. Dahinter stand allerdings keine morbides Konzept, sondern das war Zufall, ich flanierte am Rhein entlang und kam dann über diesen alten aufgelassenen Friedhof in die Altstadt. Wilhelm v. Schadow und Johann Peter Hasenclever waren die beiden Maler, die ich spontan fand. Die Königlich-Preussische Kunstakademie in Düsseldorf, war einmal eine bedeutende Institution und spukte viele Jahrzehnte unzählige große Maler aus. Zunächst wurde sie als Beschwichtigungsmaßnahme für die rheinische Bevölkerung gegründet, welche über den Zwangsanschluss an Preussen verständlicherweise nicht sehr glücklich war. Sie erlangte doch in Ihrer Bedeutung später wirklichen Weltruf, wie auch das Düsseldorfer Altbier. Weiter schlendernd kam ich zur Kunstakademie, hinter der direkt die erste schöne Brauereigaststätte kommt: das Füchschen. Dort musste ich erst einmal auf die toten Kollegen ein paar Gläschen Füchschen anstossen. Wenn die Düsseldorfer ihr Bier so verstecken würden, wie Ihre Maler, dann wäre die längste Theke der Welt ein wirklich trauriger Ort. Im Museum Kunstpalast könne man die Sammlung der Düsseldorfer Malerschule sehen, hieß es.
Ich direkt vom Frühschoppen, rein in den großen grauen Kasten. Zunächst kam ich durch eine ganz anständige Rubenssammlung. Hinweistafeln wiesen mich allerdings darauf hin, dass die meisten Exponate bei den Wittelsbachern in der alten Pinakotek gelandet waren, ach was? Die Damen in den völlig verwaisten Austellungsräumen, nuschelten irgendwas von Wasserschaden und das es nur eine kleinere Auswahl zu sehen gäbe. Diese Auswahl von angeblich 4000 Künstlern dieser Malerschule, waren rund ein Dutzend Bilder. Das ist, als würde man den Durstigen Bier in Stamperln servieren. Ach ja, genau das tut man ja dort.
Enttäuscht schlenderte ich an ein paar Schadows und Hasenclevern vorbei und beim Abbiegen in den nächsten Raum riss es mich! Da hing etwas monumental Wunderbares! Mir stockte der Atem. Ein Akt mit roten Klapperl steht mit dem Rücken zum Betrachter auf Orientteppichen. Aber diesen g’schlamperten, kraftvollen Stil, kenne ich doch? Ja er war es: Max Slevogt. Dann links ums Eck noch ein großartiges Bild: Kain schlägt auf Abel ein! Brutal, energetisch, düster, wild und ungezähmt! Lovis Corinth. Jetzt fühle ich mich wie ein Verdurstender, der in der Düsselkneipe Weißbier trinkt. Ich finde noch einen Liebermann, Otto Müller, ein paar Blaue Reiter und irgendwelche stinkenden Chemie-Labor-Installationen und verdrücke mich schnell zurück in die Altstadt.
Beim Uerige ist die Welt dann wieder in Ordnung. Die Biere sind zwar klein, kommen aber so rasch, dass es nicht auffällt. Ein paar Sol-Eier mit Essig und einen großartigen Senf. Wieder ein paar Gläschen von dem dunklen, obergärigen, sehr herben Bier. Ein „Köbes“ rennt pausenlos mit einem Tablett Biergläsern herum, andere rollen kleine Holzfässchen durch den ganzen Laden. Das Bier wird hier wirklich aus Holzfässern gezapft und es gehört definitiv zum Besten, was man trinken kann. Das Wort „Mett-Brötchen“ will mir nicht so recht über die Lippen kommen, aber auch diese Spezialität muss genossen werden, außerdem will ich nicht zu betrunken werden. Inzwischen bin ich in ein wunderbares Gespräch mit dem Düsseldorfer Star-Cellisten Thomas Beckmann vertieft. Er ist ein echtes Düsseldorfer Original, wir sitzen zufällig am selben Holzfass-Tischerl und trinken und philosophieren. Grad schön ist es. Mit einem „Pfiat di“ und „habe die Ehre“ verabschiede ich mich irgendwann leicht wankend und genieße die klare, kühle Abendluft an diesem schönen Februartag in Düsseldorf am Rhein.
Beim Bier gibt sich der Münchner geschlagen, aber die Kunst ist doch im Süden zu Hause.
Eine Antwort
Na, ja Düsseldorf und der angrenzende Niederrhein haben dem deutschen Süden bei der Bierkultur einiges voraus: es gibt halt nicht diesen teils grauenhaft schmeckenden Wust von verschiedenen Biersorten. Es gibt Alt und da es mit das beste Bier überhaupt ist, eben nur Alt. Ein generationsdeckendes Getränk, dazu noch von leutseligen Zeitgenossen getrunken, denen nichts ferner liegt als die kommunikative Unart, die der ständig griesgrämige, bräsige, dumpfbäckige und oft angeberische bayerische Grantler pflegt. Dem nämlich ist alles Fremde ein Übel, weil er`s nicht kennt.
Ganz anders der weltoffene, gebildete und freigiebige Düsseldorfer – wie sonst wären alle die schönen Gemälde vom Rhein in die Münchner Pinakotheken gelangt. Über Loisach und Isar sicher nicht.
Trinkkultur: wie kann ein ganzer Volkstamm nur auf die Idee kommen, sein Volksgetränk aus Gefäßen von quasi Eimergröße zu trinken? Das dann nach kurzer Zeit – durch Rücklauf vollgesabbert und lack im Behältnis steht, während Alt in eleganten, dünnen Gläsern stets frischgezapft an die Lippen geführt wird.
Das, hochverehrter Künstler, hast Du ja erfahren können. Und als mittlerweile fränkischer Münchner bist Du sicherlich ein wenig weltoffener geworden und weißt zu schätzen, wenn Dir Gutes widerfährt.