In dem einen Kulturkreis zu leben und zu arbeiten und die Technik aus einem völlig anderen, weit entfernten zu nutzen, ist zwar reizvoll, aber manchmal auch anstrengend.
So lebe ich jetzt in der Dürerstadt Nürnberg und meine Druckerpresse verstaubt im Atelier, weil ich mir irgendwann eingebildet habe, nicht wie der große Franke, Druckstock und Papier zusammen zu pressen, sondern wie die japanischen Künstler von Hokusai bis Kawase Hasui mit einem Bambusbaren über das Papier zu rubbeln. Während man eine Druckpresse in jedem halbwegs vernünftigen Künstlerbedarfsladen kaufen kann, ist das mit dem Baren schon deutlich schwieriger. Einfache Plastikscheibchen mit Bambus umwickelt, bekommt man seit ein paar Jahren zwar auch hin und wieder angeboten, aber alles was für den professionelle Anspruch genügt, muss man bislang in Japan oder den USA bestellen.
Der Aufbau eines Baren ist im Grunde einfach erklärt, eine Scheibe aus Papier, Holz oder Lack wird auf der Unterseite mit einer Kordelschnecke beklebt und dann mit einem grossen Bambusblatt umwickelt. Was diese Kordel angeht, kann man es wirklich bis zum Äussersten übertreiben, wie es der Japaner ja gerne tut. Sie wird aus Bambusfasern mehrfach verschlungen, verdrillt und geflochten. Mir genügte bisher eine Packerlschnur nach dem Rezept meines Sohnes verdrillt, der das im Montessori-Kindergarten gelernt hat. Zum sechzehnfach Verflechten von circa zwanzig Zentimeter langen Bambusfasern zu einer zehn Meter langen Schnur, fehlt es mir bisher an der Ruhe des Zen-Mönches.
Also das mit der Packerlschnur ist noch einfach zu lösen, Sperrholz gibts im Baumarkt aber Bambusblätter in den Maßen von zwanzig auf zwölf Zentimeter? Der aufmerksame Leser meine Blogs, weiß natürlich schon von meinem kleinen Bambushain, kennt aber auch dessen eher mickrige Stangerl. Ich musste mich also an Menschen wenden, die ein paar richtig große Kaventsmänner im Garten stehen haben. Im Bambusforum, in dem ich bisher nur passiv mitgelesen hatte, postete ich also meinen Hilferuf. Zunächst erfuhr ich, dass ich nicht einfach große Blätter suche, sondern genauer „Halmscheidenblätter“. So nennt man die Blätter, die die jungen Bambustriebe umschließen und die im Frühjahr abgeworfen werden. Diese sind sehr groß, elastisch und stabil. Die Hilfsbereitschaft, die man eigentlich recht häufig in guten Internetforen erlebt, erfuhr ich hier in ganz besonderem Maße. Innerhalb von ein paar Tagen, hatte ich Hilfsangebote, geeignete Bambussorten-Empfehlungen und sogar ein riesiges Bündel genau dieser Blätter in der Post.
Ich sortierte die Blätter nach Rissen und Größe, nahm die Schlechteren zum Üben und hatte auch ein paar wirklich Grossartige für echte Meister-Baren zur Verfügung. Sie wurden in Wasser eingeweicht, glatt gestrichen und gedehnt und dann begann das Elend … Ich habe ja einige wunderbare alte Bücher über die Tradition der Barenherstellung und einige sogar in englischer Sprache, aber das sieht auf den Zeichnungen, deutlich einfacher aus, als es ist. Ein japanischer Meister, hätte mich vermutlich entweder mitleidig in eine sechsjährige Bambuswickel-Ausbildung genommen, oder gezwungen mit meinem unförmigen Hangi-toh Seppuku zu begehen, weil bei mir ohnehin Hopfen und Malz verloren seien. Ich entschied mich mein „Selbst-Fernstudium“ weiter zu verfolgen und wickele jetzt Baren um Baren, irgendwann werden sie hoffentlich meinen Ansprüchen genügen.
Mein erster Baren druckt eigentlich ganz ordentlich, er ist zwar etwas zu groß geraten, zu weich, das Blatt leicht eingerissen und uneben, aber ich war eigentlich nicht allzu unzufrieden mit mir, aber es ist noch deutlich Luft nach oben. Nach diesem Eintrag, verdrille ich wieder Packerlschnur, wenn der kleine Schnurmeister wieder aus der Schule zurück ist.
Da ich ja auch gerade neues Holz teste, schnitt ich mal eben ein kleines Bambus-Motiv in eine Platte aus amerikanischer Kirsche. Als Test, Fingerübung und auch in großer Dankbarkeit gegenüber meinem großzügigen Halmscheidenblatt-Spender aus dem Bambus-Forum. Danke, Günter!
Eine Antwort
Hallo Alexander
Toller Artikel und so verständlich erklärt.Eine sehr interessante alte Technik die Du da angewendet hast.
Grüße vom anderen Ende der Repubik aus dem Emsland.
Günter der
Halmscheidenblatt-Spender….Tolles neues Wort !